Auch in frühherbstlicher Vollblüte ist der Johannisbrotbaum eine schlichte Erscheinung. Auffällig gross hingegen sind seine essbaren Hülsenfrüchte mit ihren wahrhaft hochkarätigen Samen.
Kurz vor dem Umzug ins Winterquartier haben die drei Bäume zu blühen begonnen. Wer üppigen Blumenschmuck erwartet, wird enttäuscht. Zwar setzen männliche und weibliche Johannisbrotbäu- me zahlreiche traubenförmige Blütenstände mit vielen Einzelblüten an, aber die Blütentrauben sit- zen an den alten Ästen und werden durch das Laub verdeckt. Ausserdem sind die Blüten auf das absolut Notwendige reduziert. Die männlichen bestehen lediglich aus fünf Pollen produzierenden Staubblättern und die weiblichen aus einem einzi- gen Fruchtblatt, das sich nach erfolgter Bestäu- bung zur Frucht weiterentwickelt. Auf schmücken- de Kronblätter verzichtet der Johannisbrotbaum ganz. Sein Blütenduft ist bestenfalls gewöhnungs-
bedürftig. Zuckerhaltiger Nektar ist die einzige Attraktion, welche er Blütenbesuchern bieten kann. Wespen, Bienen und Zweiflügler nutzen diese Futterquelle.
Bei derart zurückhaltender Eigenwerbung erstaunt nicht, dass viele Blüten unbestäubt bleiben und der Fruchtansatz spärlich ist – nicht nur im botani- schen Garten, sondern auch im natürlichen Ver- breitungsgebiet des Johannisbrotbaums rund ums Mittelmeer. Dort geht in seiner Blütezeit die som- merliche Trockenperiode zu Ende und die Winter- regen setzen ein. Die Aussichten auf Insektenbe- stäubung stehen somit nicht besonders gut. Prak- tisch alle Mittelmeerpflanzen bringen deshalb ihre Blüten im Frühling hervor, wenn die Bestäubungs- chancen besser sind. Blütezeiten im Herbst findet man sonst vor allem bei Tropenpflanzen.
Als eine solche könnte man den Johannisbrot- baum schon fast bezeichnen. Er ist ausgespro- chen wärmeliebend und kommt nur in absolut frostfreien Lagen mit Jahresdurchschnittstempe- raturen von ca. 17 °C vor (Vergleichswert St.Gallen: 9 °C). Er ist immergrün und seine Fie- derblätter sind ledrig, wie man das von Pflanzen
aus Trockengebieten kennt. Die Fachwelt ging deshalb lange davon aus, dass er ursprünglich auf der Arabischen Halbinsel verbreitet war und von den Arabern im Mittelalter als Kulturpflanze in die Länder rund ums Mittelmeer gebracht wurde. Neuere Befunde legen jedoch nahe, dass der Johannisbrotbaum schon viel früher im gesamten Mittelmeerraum präsent war.
Der Name Johannisbrotbaum geht auf Johannes den Täufer zurück, der sich in der Wüste von den Hülsenfrüchten des Baumes ernährt haben soll. Tatsächlich sind die Fruchtwände der 10 bis 20 Zentimeter langen Hülsen essbar. Sie schmecken süss und sind deshalb bei Kindern als Naschwerk beliebt. Die Samen können nicht gegessen, je- doch für andere Zwecke gebraucht werden. Ihre Masse ist nämlich erstaunlich konstant und be- trägt rund 0,2 Gramm. Es bot sich deshalb an, die Samen als Gewichtssteine zu nutzen, insbesonde- re dann, wenn kleine Massen möglichst genau gewogen werden mussten. Die Samen kamen deshalb beim Wägen von Gold und Edelsteinen zum Einsatz. Noch heute ist hierfür die Massein- heit Karat (= 0,2 Gramm) geläufig. Ein Karat ent- spricht demnach ungefähr der Masse eines Johan- nisbrotbaumsamens.
Quelle: Stadt St. Gallen Botanischer Garten Stephanshornstrasse 4 9016 St.Gallen Telefon +41 71 224 45 14 botanischer.garten@stadt.sg.ch www.botanischergart.stadt.sg.ch